Es geht um Wasserstoff als eine zentrale Schlüsseltechnologie zur Speicherung volatiler erneuerbarer Energien.
Ein weiteres Thema ist die Dekarbonisierung zahlreicher Sektoren, insbesondere von Wärmeversorgung, Verkehr und Industrie.
Die eigentliche Anfangshürde beim Umstieg auf eine Wasserstoffwirtschaft liegt in der noch fehlenden Standardisierung im kleinen Leistungsbereich begründet. Der Fokus der „Energieregion Staßfurt“ richtet sich daher auf dezentrale und modulare Konzepte zur Bereitstellung von Wasserstoff. So soll unabhängig von Großabnehmern und trotz zunächst geringer Nachfrage auch in der Fläche ein Angebotsspektrum entstehen. Eine wesentliche Aufgabe ist es, zu untersuchen, wie sich die Marktdurchdringung von Sektorenkopplungsprojekten unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erhöhen lässt.
Das mittlerweile mit Fördermitteln unterstützte Projekt zielt darauf ab, die Verfahrensentwicklung von sogenannten Power-to-X-Systemen (z. B. Strom zu Wasserstoff) zu modularisieren und mit nutzerfreundlichen Software-Werkzeugen und Dienstleistungen zu unterstützen.
Hintergrund der angestrebten Modularität ist die mögliche Erweiterung bei anziehender Nachfrage infolge zusätzlicher Nutzer und Nutzungskonzepte. Das Gesamtziel besteht darin, durch die Entwicklung einzelner Module – die für sich erweiterbar, schnittstellenoffen integrierbar und betriebsorientiert optimierbar sind – Sachsen-Anhalt zu einem Aushängeschild für den energieoptimierten Aufbau von Wasserstoff-Infrastruktur in Deutschland zu machen.
Neben anderen Gewerbetreibenden sollen auch Städte und das Bundesland Sachsen-Anhalt beim langfristigen energetischen Umdenken integriert werden. Die Einbindung von Wasserstoff in die vorhandene Erdgas-Infrastruktur ist dabei kein Selbstläufer. Wasserstoff unterscheidet sich in wesentlichen physikalischen Eigenschaften, darunter dem Brennwert, deutlich vom bisher verteilten fossilen H-Gas (nahezu vollständig Methan).
Die Einspeisung von Wasserstoff (H2) im Rahmen der „Energieregion Staßfurt“ sowie die perspektivisch zu erwartenden Wasserstoffmengen im Erdgas allgemein, stellen die EMS dabei vor große Herausforderungen:
• Sicherstellung einer den technischen Anforderungen der Endgeräte genügenden Gasqualität auch bei schwankenden Anteilen von H2 im Gasnetz
• Gewährleistung eines jederzeit störungsfreien Netzbetriebs trotz unterschiedlicher technisch-physikalischer Eigenschaften von Methan und Wasserstoff, bei variablen Anteilen im Netz
• Berücksichtigung auch weiterer, durch vorgelagerte Netzbetreiber eingebrachter H2-Mengen und damit zunehmend volatiler und weniger beeinflussbarer Gaszusammensetzung
Um die genannten Herausforderungen zu bewältigen, muss die Einspeisung von Wasserstoff unter Berücksichtigung der aktuellen Netzflüsse permanent gesteuert und geregelt werden. Die EMS entwickelt dazu mit wissenschaftlichen Partnern aus Magdeburg, dem Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF und dem Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme MPI, ein Regelungssystem zur lastflussangepassten und netzverträglichen Beimischung von Wasserstoff in das Erdgasnetz.
Eine Software zur Bestimmung der Regelungsstrategie, der apparativen Komponenten sowie der Mess- und Stellglieder für die grenzwertabhängige Beimischung von Wasserstoff in das Erdgasnetz soll die Arbeitsergebnisse übertragbar machen und so bundesweit, insbesondere jedoch in Sachsen-Anhalt, den Umstieg auf eine nachhaltige und erneuerbare Gasinfrastruktur unterstützen.
Das Land Sachsen-Anhalt fördert das Gesamtprojekt mit rund 790.000 Euro, darunter sind auch EU-Fördergelder. Für den EMS-Part können bis zu 53.192,68 Euro abgerufen werden. Dabei wird die EMS einen Eigenanteil von rund 80.000 Euro leisten. Mit den Fördermitteln kann die EMS einen Teil der Personalkosten sowie Kosten für Dienstleistungen, wie beispielsweise Planungs- und Ingenieurbüros decken. Diese Fördermittel unterstützen die Konzeptionierung der „Energieregion Staßfurt“, an deren Ende ein Werkzeug (Software) stehen soll, mit dessen Hilfe auch anderenorts Wasserstoff sektorenübergreifend eingesetzt werden kann.
Wie soll das Ganze umgesetzt werden?
Grüner Wasserstoff (H2) soll durch Elektrolyse hergestellt werden. Dabei wird grüner Strom unter Einbindung von Wasser in Wasserstoff umgewandelt. Dieser ist länger speicherbar und somit flexibel in den Sektoren Verkehr, Industrie sowie Wärme nutzbar. Das Besondere bei dem Innovationsprojekt: Der Elektrolyseur mit einer geplanten Leistung von 1 Megawatt wird nicht nur – wie bislang üblich – aus Überschussstrom betrieben, sondern ausschließlich und kontinuierlich durch eine Direktleitung vom Windpark mit grünem Strom versorgt. Der dazugehörige Windpark mit einer Gesamtleistung von nahezu 40 Megawatt in der Gemarkung Brumby/Förderstedt soll bis zum Jahr 2025 errichtet werden. In unmittelbarer Nähe soll ebenfalls im Jahr 2025 der Elektrolyseur in Betrieb genommen werden – mit rund 7.000 Betriebsstunden jährlich und einer Produktionsmenge von rund 130 t/a Wasserstoff in der ersten Ausbaustufe.
Überregionaler Logistikverkehr im Blick
Der im Rahmen des Projekts aus grünem Strom erzeugte Wasserstoff kann als alternative Antriebstechnologie für Busse, Autos und Lkw genutzt werden. Eine nachhaltige Lösung, die im Salzlandkreis u. a. für die Fahrzeugflotten der Kreisverkehrsgesellschaft mbH und des Kreiswirtschaftsbetriebes von Interesse ist. Im Blick hat die „Energieregion Staßfurt“ aber insbesondere auch den überregionalen Logistikverkehr. Denn Teil des Projektes ist eine öffentliche H2-Tankstelle, die zentral am Autobahnrasthof direkt an der A14 in Staßfurt-Brumby geplant wird. Die Tankstelle wird auf 350 und 700 bar ausgelegt, um die vielfältigen Fahrzeugtypen mit Wasserstoffbetrieb bedienen zu können. Vom Elektrolyseur zur Tankstelle wird der Wasserstoff leitungsgebunden transportiert. Das ermöglicht Speicherung und Transport in einer Lösung. Über diese Leitung können zudem Überschussmengen an Wasserstoff in das lokale Gasnetz der EMS eingespeist werden, um die Wärmeversorgung zu dekarbonisieren. Das dafür in Frage kommende EMS-Netz ist bereits heute H2-ready.
Der für die Elektrolyse nicht benötigte Windstrom ist zur Einspeisung in das öffentliche Stromnetz vorgesehen.
So kann perspektivisch die gesamte Wertschöpfungskette regional im Salzlandkreis abgebildet werden – von der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in lokalen Wind- und Photovoltaikparks bis hin zu einer nachhaltigen Nutzung des klimafreundlich hergestellten Wasserstoffs. Mit dem Projektvorhaben wird auch dem Infrastrukturausbau für Wasserstoff in Sachsen-Anhalt Rechnung getragen und der Logistikverkehr auf H2-Basis gestärkt. Denn nur eine Verdichtung des Infrastrukturnetzes wird den Wasserstoff-Hochlauf beschleunigen können
Die Projektpartner
• Energie Mittelsachsen GmbH
• Stadtwerke Staßfurt GmbH
• MVV Energie AG
• Fraunhofer IFF Magdeburg
• Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme, Magdeburg